Der derzeitige weltweite Mega-Star der empirischen Bildungsforschung John Hattie kam nach Deutschland zu einem Vortrag. Aber nicht Berlin, München, Frankfurt oder Kiel waren sein Ziel, sondern das Didaktische Zentrum (diz) in Oldenburg. Angekündigt war „Der einzige Vortrag von John Hattie in Deutschland in 2013!“ mit dem Ziel die deutsche Übersetzung des Buchs Visible Learning zu übergeben. Im Vorfeld wurde bekannt, dass für den Hörsaal mit 400 Plätzen über 600 Anmeldungen vorlagen. Aber hohe Erwartungen können ja auch etwas Gutes sein. Und sie wurden erfüllt.
Überfüllter Hörsaal, exzellenter Redner
Im Foyer vor dem später restlos gefüllten Hörsaal gab es eine Videoübertragung, so dass in der Tat etwa 600 Menschen miterleben konnten, wie John Hattie über sein Buch sprach. Der Ablauf der Veranstaltung war klassisch: (etwas zu lange) Grußworte, Vortrag des Hauptredners und Schlussworte. Um es vorweg zu nehmen: John Hattie ist ein exzellenter Redner.
Hattie verstand es, eine positive Atmosphäre zu schaffen und versuchte aktiv, das Publikum einzubeziehen, indem er Fragen stellte, mit dem Publikum bzw. der Videoübertragung im Foyer scherzte oder kurze Abfragen einforderte. Als auf die erste Handzeichenabfrage kaum Hände nach oben gingen: „Dear president [der Universität], I have to inform you that there are students with no arms.“ / „Frau Präsidentin, ich muss Ihnen mitteilen, dass es hier Studenten ohne Arme gibt.“
Klare Botschaften für das große Ganze
Hattie spricht schnell, aber verständlich und wagt es immer wieder, kurze, klare Botschaften zu formulieren. („and here are the good news: …“) Das ist natürlich gewagt, denn er reduziert Komplexität und versucht so, Auszüge aus seinem Hunderte Seiten starken Werk zu klaren Botschaften im Stile von Überschriften zu verdichten. Hattie gibt sich dabei nicht mit Einzelfällen (z.B. Besonderheiten in einzelnen Ländern) ab, sondern ihm geht es um das Große, das Ganze, das Internationale.
Enthusiasmus und das „Mindset for Change“
Dass John Hattie mit seinem Vortrag sehr wahrscheinlich seit einigen Jahren durch die Welt reist, merkt man ihm nicht an. Er spricht so enthusiastisch, als wäre das alles noch sehr frisch. Zu Beginn stellte Hattie sein methodisches Vorgehen und das „Barometer“ vor, um dann an unterschiedlichen Beispiel-Faktoren Ausschnitte seiner Botschaft zu verdeutlichen. Den Abschluss des Vortrags bildet das mindset for change. Es ist eine kurzweilige Stunde, die man mit Hattie verbringt. Die Lehrer stürmten anschließend zum Pult, holten sich Autogramme und ließen sich zusammen mit ihm fotografieren: Ein Pop-Star der empirischen Bildungsforschung!
Einige Hattie-Gedanken in Kürze
Beispielhaft seien hier einige Hattie-Gedanken aus dem Vortrag als Zitate in der oben beschriebenen Kürze wiedergegeben:
Hattie über den Einfluss der Klassengröße
Lehrer verändern ihre Lehrmethoden nicht. Sie sprechen sogar noch mehr in kleineren Klassen. (The teachers don’t change their teaching methods. They talk even more in smaller classes.)
Hattie über den Einfluss von Schülererwartungen
Wir gehen bei Lernzielen auf Nummer sicher. Das ist das Problem in unserem System. Ihre Aufgabe ist es, Schülern zu helfen, ihre eigenen Erwartungen zu übertreffen. (We set save targets. That’s the problem in our system. Your job is to help the children to exceed their expectations.)
Hattie über die Geisteshaltung von Lehrern für Veränderung
Es geht nicht darum, wer sie sind oder wie sie unterrichten. Entscheidend ist, was sie denken. (It’s not who they are, it’s not how they teach. It’s how they think!)
Verbannen sie die Wörter „Gib dein bestes“ aus dem Vokabular, das sie in Ihrem Unterricht benutzen. (Ban the words ‚do your best‘ from the words you use in your classroom.)
Worüber sprechen Lehrer in der Schule miteinander? Sie sprechen über Kinder, den Lehrplan, Klassenarbeiten und Fußball. Sie sprechen ein Minute über ihr eigenes Unterrichten. (What do teachers talk with each other in school? They talk about kids, the curriculum, assessments and soccer. They talk a minute a month about their teaching.)
Nach einigen Fragen aus dem Publikum folgte dann die Übergabe der deutschen Übersetzung durch Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, die die Übersetzung organisiert und zusammengeführt haben. Nach zwei Stunden war die Hattie-„Tagung“ in Oldenburg dann beendet. Im Foyer öffnet der Bücherstand mit den ersten Exemplaren von „Lernen sichtbar machen„, der deutschen Ausgabe der Hattie-Studie. Seit dieser Woche und noch vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin steht Hatties Werk bereits in der Liste der deutschen Top 100 Bestseller bei Amazon.
Wer die Möglichkeit hat, Hattie einmal live zu erleben, sollte nicht zögern. Vielleicht gibt es in 2014 eine Chance, wenn die Übersetzung des zweiten Visible-Learning-Buchs „Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen“ auf deutsch erscheinen wird.
[…] Werk visible learning griffig zusammen zu fassen (viele Artikel hier). Nach der öffentlichen Buchpräsentation in Oldenburg dürfte der Schneider-Verlag von der Menge an Vorbestellungen sicher überrascht worden sein. Die […]