Mitunter steht bei der Diskussion der Hattie-Studie die Frage im Raum „Werden da nicht Äpfel mit Birnen verglichen?“ Wolfgang Beywl, Co-Übersetzer der deutschen Ausgabe der Hattie-Studie, kontert in einem Interview mit BILDUNGSCHWEIZ und beschreibt den Ansatz des neuseeländischen Bildungsforschers wie folgt: „Erstmal ist Hattie ein Sammler. Seit 1990 sammelt er Meta-Analysen. (…) Der zweite Schritt war, diese Daten zu sortieren und die Faktoren zu bestimmen, nach denen die Studien gegliedert und ausgewertet werden können. (…) Das ist eine jahrelange intensive, mit viel Buchhalterfleiss verbundene Arbeit. Es stecken aber auch kreative Entscheidungen des Forschers dahinter, über die sich diskutieren lässt.“
Mehr als 800 Meta-Analysen hat Hattie in 15-jähriger Forschungsarbeit zusammengetragen. Diese Meta-Studien fassen mehr als 50.000 Einzelstudien zusammen und beruhen auf Untersuchungen von mehr als 80 Millionen Personen. Auf dieser Grundlage hat Hattie also 138 Einflussfaktoren für den schulischen Lernerfolg bestimmt und Berechnungen angestellt. Aber was hat Hattie da eigentlich gelesen und zu Faktoren zusammengefasst?
Wie verteilen sich die 800+ Meta-Studien auf die einzelnen Einflussgrößen?
Bei der Zusammenschau der von Hattie untersuchten 800+ Meta-Analysen fällt ein recht ausgewogenes Bild auf mit Schwerpunkten in den Bereichen „Computerunterstützter Unterricht“, „Gender“ und „Feedback“.
Wie verteilen sich die darin enthaltenen 50.000+ Einzelstudien auf die Einflussgrößen?
Die in den Meta-Studien zusammengetragenen mehr als 50.000 Einzelstudien verteilen sich zahlenmäßig etwas unausgewogener auf die von Hattie herausgestellten Einflussfaktoren. Deutliche Schwerpunkte liegen hier in den Bereichen „Lehren von Strategien“, „Computerunterstützter Unterricht“, „Vorausgehendes Leistungsniveau“ und „Gender“.
Wie verteilen sich die dabei untersuchten 80.000.000+ Personen auf die Einflussgrößen?
Die mehr als 80 Millionen untersuchten Personen scheinen noch unausgewogener auf die Einflussfaktoren verteilt. Rund die Hälfte der Personen wurde im Zusammenhang mit „Umfassenden Unterrichtsreformen“ untersucht. Mit deutlichem Abstand folgen die Faktoren „Familienstruktur“, „Theater- und Kunstprogramme“, „Gender“ und „Fernunterricht“. Es ist außerdem anzumerken, dass für 40 der 138 Einflussfaktoren von Hattie keine Personenzahlen berichtet werden.
Fazit
Hattie wurde von verschiedenen Autoren dafür kritisiert, keine Aussgagen zur Qualität der zugrunde liegenden Studien und Meta-Studien zu treffen. Die hier vorgestellte Analyse zur Quantität der untersuchten Meta-Studien, Einzelstudien und Personen macht folgendes deutlich:
- Nicht alle Einflussfaktoren wurden im gleichen Umfang empirisch untersucht — mithin untersucht die Hattie-Studie nicht alle 80 Millionen Personen auf jeden der 138 Einflussfaktoren.
- Mehr als 60 Millionen Personen betreffen Faktoren, die Hattie selbst als wenig wirksam bezeichnet. Die Top-Ten der Hattie-Rangliste rangieren nicht im Millionen-Bereich.
- Für 40 Einflussfaktoren werden überhaupt keine Personenzahlen berichtet, darunter auch 3 Faktoren aus den Hattie-Top-Ten.
Will man die eingangs formulierte Frucht-Metapher aufgreifen, könnte man sagen: Hattie vergleicht sicherlich nicht Äpfel mit Birnen, die untersuchten Obstkörbe sind jedoch recht unterschiedlich groß.
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